Wie wichtig ist die PS-Zahl bei Oldtimern?Ob stark oder schwach, Oldtimer sind beliebt.
Wie wichtig ist Euch die Leistung eines Klassikers?
Hier zwei Meinungen von AutoBild-Klassik-Redakteuren, was meint ihr?
Was die Motorleistung angeht, ist die Welt der Oldtimer zweigeteilt: Die einen begeistern sich für die Volksautos ihrer Kindheit und Jugend, oft mit 50 oder weniger PS. Die anderen wollen Traumwagen, meist mit 150 PS oder mehr. Beides zeigt die Zulassungsstatistik ganz deutlich: Die Autos mit H-Kennzeichen gehören überwiegend entweder zur Kategorie der Alltagsautos, wie VW Käfer, VW Bulli, Opel Kadett, Trabant, Citroën 2CV Ente, oder sie zählen zur Leistungsliga wie Mercedes SL und Porsche 911. Die breite Welt dazwischen, die in jeder Autogeneration ein Gutteil des Straßenbildes ausgemacht hat, spielt als Klassiker eine erstaunlich kleine Rolle. Und wer hat jetzt mehr Freude? Der Fahrer eines langsamen oder eines Leistungsbereiten Autos?
"In Autos, die zu lahm sind, kann ich schlecht entspannen." (Frank B. Meyer)
Frank B. Meyer, stellvertretender Chefredakteur von AUTO BILD KLASSIK: Entschleunigung – wieder so ein Modewort, das jeder nachplappert, über das aber kaum jemand nachdenkt. Es soll wohl das Gegenteil von Beschleunigung bedeuten. Aber das ist doch eigentlich Verzögerung, oder? Also bremsen. Ich möchte in meiner Freizeit nicht bremsen. Ich möchte mich entspannen. Und das fällt mir schwer, wenn ich mit durchgestrecktem rechtem Bein fahren muss, weil mir mein Auto sonst zu langsam ist. Das gilt in jeder Leistungsklasse. Mir bereitet es einen Riesenspaß, Isetta zu fahren. In der Stadt. Auf Fernreisen fände ich es anstrengend, immer in den Spiegel zu schauen und zu fürchten, dass ich andere Fahrer behindere. In meiner Citroën DS war anfangs der Kupplungskorrektor kaputt, sodass von den 98 PS vielleicht 65 an den Rädern ankamen. Eigentlich kein Problem. Aber dann nervte mich auf einer Landstraße diese Mercedes A-Klasse vor mir, die dauernd das Tempo wechselte. Also überholen. Die lange Gerade wurde am Ende ganz schön kurz, weil ich kaum vorbeikam. Unentspannt. Bei sportlichen, starken Autos möchte ich bitte auch spüren, wie stark sie sind. Weil es dazugehört. Und weil ich einen kindlichen Spaß daran habe.
"Ein Oldtimer ist kein TDI. Und das ist gut so." (Till Schauen)
AUTO BILD KLASSIK-Redakteur Tll Schauen: Leistung – wieder so ein Modebegriff, dem jeder gedankenlos nacheifert. Klar, wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Daran kann man prima glauben, wie an den Lottogewinn und den Top-Trumpf im Autoquartett. Oder den Osterhasen. Man soll ja niemanden überfordern. Komplexe, vielschichtige Dinge sind nicht jedermanns Sache. Ich persönlich habe enormen Spaß an Vielschichtigem: sich mit sperriger Technik auseinanderzusetzen, die Eigenarten eines alten Autos zu erspüren, seine Qualitäten hervorzulocken und schließlich auch mit wenig PS flott unterwegs zu sein – das ist wunderbar! Darin steckt die Essenz der Oldtimerei. Manchmal höre ich, wie einer die Krise kriegt, weil sein Oldtimer nicht brutal voranstürmen kann. Da hab ich den Verdacht, dass er den Oldtimer mit seinem Alltags-TDI verwechselt. Mit so einer Haltung ist er am Steuer eines Oldies auf dem falschen Platz. Überholen ist übrigens sinnlos, egal in welchem Auto. Ein Stück vor jeder rammdösigen Mercedes A-Klasse zuckelt nämlich ein noch lahmerer Kleinlaster. Oder, mit etwas Glück, eine gemütlich kreuzende DS, am Steuer ein Fahrer, der ihr nicht auf den Kopf treten muss. So ein Anblick ist dann ein Genuss.
AutoBild-Klassik vom 01.07.2015